„Schüler für Schüler“: Zehn Jahre Engagement am Europagymnasium
22/12/2024
„Ich hatte auch Hilfe, als ich mit sieben Jahren aus der Slowakei nach Deutschland gekommen bin. Jetzt kann ich etwas zurückgeben. Das finde ich wichtig.“
Ema Milde, 18 Jahre alt und Schülerin des Europagymnasiums Kerpen, ist Teil des Projekts „Schüler für Schüler“. Seit 2014 unterstützen jährlich rund 70 Oberstufenschülerinnen und -schüler in ihrer Freizeit Kinder und Jugendliche, die in Kerpen eine neue Heimat gefunden haben. Dieses Projekt ist nicht nur in der Region, sondern möglicherweise deutschlandweit einmalig.
In den vergangenen zehn Jahren haben fast 800 Gymnasiastinnen und Gymnasiasten mehr als 12.000 Stunden Deutschunterricht im Rahmen des Projekts gegeben. „Der 1:1-Unterricht ist sehr effektiv. Wir sprechen über den Alltag, machen Übungen und ich helfe bei den Hausaufgaben“, erklärt Tino Thomas, der aktuell mit Matvii Smetanin Deutsch übt. Matvii, der vor dem Krieg in der Ukraine geflohen ist, besucht das Europagymnasium. „Wir haben gerade ein Spiel gespielt, bei dem man Personen beschreiben muss. So habe ich wieder neue Wörter gelernt“, erzählt der Schüler.
Doch die Unterstützung beschränkt sich nicht nur auf die ukrainischen Schülerinnen und Schüler. Gymnasiasten helfen auch in ihrer Freizeit an der benachbarten Adolph-Kolping-Hauptschule und der Albertus-Magnus-Grundschule. Hier werden sie von den Lehrerinnen Michaela Müller und Nada Kecman gezielt in der Einzelförderung eingesetzt. Organisiert wird das Projekt von Vissarion Chouliaras, Lehrer am Europagymnasium, und der Journalistin Birgit Broich-Jansen. „Aus einer spontanen Hilfsaktion ist ein nachhaltiges Sprachprojekt entstanden“, erklärt Broich-Jansen, die 2014 von drei Jugendlichen aus dem Irak um Unterstützung beim Deutschlernen gebeten wurde.
Damals stellte die Schulleitung des Europagymnasiums unbürokratisch die öffentliche Bibliothek der Schule als Lernort zur Verfügung. Schnell fanden sich Oberstufenschülerinnen und -schüler, die helfen wollten. „Viele unserer Gymnasiasten haben selbst eine Zuwanderungsgeschichte und sind für die Sprachschüler ein Vorbild. Das Projekt bringt junge Menschen zusammen, fördert den Austausch und stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt“, fasst Lehrer Vissarion Chouliaras die Idee hinter dem Projekt zusammen.
Schülerinnen und Schüler, die ein halbes Jahr lang regelmäßig unterrichten, erhalten eine Bescheinigung über ihr soziales Engagement.
„Ich fühle mich wirklich gut, wenn ich helfen kann, und das Zertifikat wird mir sicher nützlich sein. Außerdem habe ich durch das Projekt ein neues Berufsziel entdeckt: Vielleicht werde ich Lehrerin“
, erzählt Felina Reinartz mit einem Lächeln. Sie unterstützt in der Grundschule ihren Lernpartner Wissam Alali. „Die Kinder freuen sich immer, wenn die Gymnasiasten kommen und individuell betreut werden“, ergänzt Lehrerin Nada Kecman.
Das Projekt „Schüler für Schüler“ wurde in den vergangenen zehn Jahren mehrfach ausgezeichnet – unter anderem mit dem Integrationspreis und Heimatpreis der Stadt Kerpen und des Rhein-Erft-Kreises, dem Lions-Preis sowie dem Titel „Schule des Jahres“. Trotz dieser Erfolge wurde es nie durch öffentliche Gelder finanziert. „Der Erfolg basiert einzig und allein auf dem ehrenamtlichen Einsatz aller Beteiligten“, betont Birgit Broich-Jansen. Und der Einsatz lohnt sich: „Es ist so wichtig, gut Deutsch zu lernen. Nur so hat man die Chance auf eine gute Ausbildung“, unterstreicht Liudmyla Parshykova, Lehrerin aus der Ukraine.
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